Hilfe - mein Kind hört einfach nicht!Mit dem "Gehorsam" ist das so eine Sache: Ein "zuviel" macht unsere Kids später zu Duckmäusern und Untertanen, die es im Leben schwer haben werden, ihre Position zu vertreten. Aber was ist, wenn es darauf ankommt? Es gibt immer wieder Situationen, in denen wir Kinder sogar zum Gehorsam zwingen müssen. Schließlich können wir nicht zulassen, dass ein kleines Kind auf die Straße läuft, mit einem spitzen Messer in der Hand durch die Wohnung tappert oder auf andere mit Füßen eintritt. Wir wollen aus unseren Kindern mündige Bürger machen! Keine Befehlsempfänger, sondern Menschen, die eigenverantwortlich denken und handeln. Und die kriegen wir nur, wenn wir mit unseren Kindern von klein auf entsprechend umgehen. Indem wir sie ernst nehmen, mitreden und mitentscheiden lassen, auf ihre Bedürfnisse eingehen und ihnen genügend Spielraum für eigene Erfahrungen zur Verfügung stellen. Auch wenn wir heute nicht mehr das Ziel haben, "brave, gehorsame" Kinder heranzuziehen, unsere Kinder müssen lernen, dass es Situationen gibt, in denen sie das tun müssen, was wir von ihnen fordern. Auch wenn es ihnen schwer fällt. Doch wie erreichen wir das? Die wichtigsten Regeln lauten:
- Verbote sparsam einsetzen!
Das bedeutet, sich stets kritisch zu fragen, ob ein Verbot nun wirklich sooo wichtig ist. Zumeist sind es ja keine echten Gründe, warum ein Kind etwas machen oder unterlassen soll - sondern die Erwachsenen wollen ihre Ruhe haben oder scheuen das Aufräumen hinterher.
- Konsequent sein!
Wenn ein Verbot oder eine Anordnung ausgesprochen wurde, dann muss das Kind sich auch darauf verlassen können, dass dies tatsächlich die Grenze ist, die es gerade auslotet. Wird eine angedrohte Konsequenz nicht eingehalten, dann ist das geradezu die Einladung für das Kind auszuprobieren, wo die Grenzen denn nun wirklich liegen. Das bedeutet, sich jedesmal vor einem Verbot oder einer Androhung kritisch zu fragen, ob man auch bereit ist, die angedrohte Konsequenz unvermittelt durchzuziehen. Kann man das nicht oder zeigt man sich inkonsequent, dann wird genau das Gegenteil von dem erreicht, was man eigentlich beabsichtigt hat.
- Unnötige Kollisionen vermeiden!
Wenn die Wohnung oder einige Zimmer nicht "kindgerecht" sind, ist die Situation vorprogrammiert, dass das Kind irgendwas nicht darf. Dies kollidiert aber mit der kindlichen Neugier, die Welt verstehen und begreifen zu können. Und wir wollen ja auch kein lethargisches desintressiertes Kind heranziehen, oder? Dann helfen vielleicht zusätzliche Gitter, Türen oder Abdeckungen. Oder man räumt einfach mal etwas häufiger auf, als sonst vielleicht notwendig wäre.
- Den Neugier-Druck wegnehmen!
Wenn das Kind das offene Milch-Tetrapack vom Tisch zieht, ist die Katastrophe perfekt. Doch was ist denn dagegen zu sagen, dem Kind das volle Tetrapack sogar mal selber in die Hand zu geben - ganz vorsichtig natürlich, nach dem Motto "willst Du mal anfassen"...? Oder mal zusammen mit dem Kind die Schublade ausräumen und anschliessend wieder einräumen? Macht man das vielleicht einmal mehr, als es dem Kind lieb ist, dann ist der Reiz (des Verbotenen) raus und das Kind empfindet das Schubladen-ausräumen sogar selber als lästig.
- Anerkennung geben!
Kids wollen alles den Eltern nachahmen - die Welt so souverän beherrschen, wie sie das bei den Erwachsenen sehen. Erfolgserlebnisse vermitteln dieses Gefühl! Wenn ein Kind für etwas gelobt wird, hat es dieses Erfolgserlebnis. Das schafft die Möglichkeit, erwünschtes Verhalten zu verstärken und unerwünschtes abzuschwächen.
- Negative Anerkennung vermeiden!
Auch Schimpfen ist eine Form von Zuwendung! Manche Kinder holen sich die Zuwendung eben auf diese Weise, wenn sie sonst zuwenig davon haben. Schimpfen nützt also nicht viel, wenn nicht in gleichem Masse auch gelobt wird. Sonst lernt das Kind, dass es über "Mist machen" endlich die Aufmerksamkeit kriegt, die es sonst nicht bekommt. Will man ein unerwünschtes Verhalten abschwächen, würde es also eher nutzen, das Kind in die Langeweile zu schicken, also von der momentanen unerwünschten Spielsituation zu trennen.
- Nebenkriegsschauplätze erkennen!
Geht es bei der Auseinandersetzung noch um die Sache? Oder sind es eher kleine Machtkämpfe, die sich da abspielen? Oder wer die nächste Runde gewinnt? Dann ist "Nachgeben" eher eine Demonstration der Größe, wobei man dem Kind aber schon die sachbezogene Kritik erklären sollte.
Wer ständig eingreifen, verbieten, schimpfen, wegnehmen, mit dem Kind kämpfen muss, begeht eine fatalen Fehler mit Folgen: Das Kind wird, weil es seine Neugier nicht an den Dingen befriedigen kann, die es überall sieht, sich auf unsere Art der Reaktionen konzentrieren! Es wird ausprobieren, wann wir laut werden, wann wir rot anlaufen, wann unsere Stimme umkippt und wann wir ihm schließlich einen Klaps auf die Finger geben.
Das ist ein hochinteressantes, buntes Forschungsgebiet für kleine, nicht anderweitig beschäftigte Kinder. Zumal sie dabei schnell die Erfahrung machen, dass sie unseren "Befehlen" erfolgreichen Widerstand entgegensetzen können. Kampfstudien also, die die Kids über kurz oder lang gewinnen werden.
Eine alltägliche Situation ist es, dass ein Kind ausprobiert, was geschieht, wenn es gegen durchaus bekannte Tabus verstößt. Es wird ganz bewusst auf eine der Tasten am Fernseher drücken oder an einem der Blätter der Topfpflanze reißen. Oder es wird wenigstens so tun als ob. Wahrscheinlich wird es die Eltern dabei sogar ansehen und damit ganz deutlich sein Motiv zeigen: Es kommt mir gar nicht aufs Berühren an, ich will nur wissen, wie du jetzt reagierst. Provokation!!!
Was sollte man dann tun? Schimpfen? Nein! Nur nichts Aufregendes. Langweilig muss die Reaktion sein, gähnend langweilig! Zum Beispiel dem Kind freundlich in die Augen sehen und mit leichtem Kopfschütteln ganz ruhig "nein" sagen... Und wenn es nichts nützt? Es soll keine Wettkampfstimmung aufkommen! Besser ist es, nach ein paar Sekunden abzubrechen und das Kind abzulenken. Die meisten Kinder werden das akzeptieren. Hat man aber ein etwas schwieriges Kind, oder hat es gelegentlich schon Trotzgelüste, oder ist die Stimmung heute nicht so toll, dann kann es sein, dass es nun wirklich einen Wettkampf möchte - und mit der vollen Hand in die Büsche greift. Was dann? Dann hilft nur noch eines - nämlich das Kind ganz ruhig von der Spielsituation entfernen - auch wenn es weinen und brüllen oder gar toben sollte. Auf keinen Fall aber eine betonte Reaktion zeigen, also weder besonders liebevoll noch schimpfend, denn das macht eine Kampfsituation dann erst recht interessant!