Kids - die beissen, treten und auch sonst ganz nett sind... (li) Es gibt Kids, die andere Kinder attackieren, also schlagen, zwicken, beißen, schubsen, trotz aller Ermahnungen. Und es gibt solche, die das hilf- und wehrlos mit sich geschehen lassen. Die einfach dastehen und heulen, wenn man ihnen schon wieder den Sandeimer, den Bobbycar weggenommen hat? Die zur Mama laufen und um Hilfe bitten oder sich frustriert in eine andere Ecke trollen? Und es gibt Mütter, die wegen dieser Fragen aneinandergeraten...! Ein oft gehörtes Argument von Müttern, die bei ihren kleinen Rambos nicht eingreifen, ist die durchaus nachzuvollziehende Ansicht, das man schon im Sandkasten lernen sollte, sich selbst zu wehren und Streitigkeiten alleine ohne fremde Hilfe auszutragen. Nicht selten findet man diese Ansicht sogar unter den Müttern der friedlicheren Kids, die von ihren kleinen Kindern aktive Gegenwehr sehen wollen.
Das alles hat sicher mit der steigenden Gewalt unter Jugendlichen zu tun, die besonders an den Schulen auftritt. Vorausschauend tolerieren Mütter Aggressivität bei ihren Kleinen eher. Weil sie hoffen, daß die dann später, auf dem Schulhof, leichter in der Lage sind, sich gegen Rowdies zu wehren. Und die Mütter der kleinen Wehrlosen rechnen im Geiste die Situation hoch und fragen sich, was aus ihren Kindern in ein paar Jahren werden soll, wenn's auf dem Schulhof rundgeht.
Wir lösen das Problem zunehmender Gewalt an unseren Schulen jedoch nicht dadurch, dass wir sie nun plötzlich im Sandkasten und auf den Spielplätzen tolerieren - und damit automatisch fördern! Wir lösen das Problem zunehmender Gewalt erst recht nicht, indem wir die Friedlichen auffordern, doch auch endlich ins Lager der Rowdies überzutreten.
Erziehung zur Selbständigkeit ... und zum eigenständigen Problemlösen ist eine wichtige Sache, - aber sie hat ihre Grenzen. Wenn ein kleines Kind mit einem scharfen Messer hantiert oder auf die Straße rennt, dann greifen doch auch ein. Warum dann nicht, wenn ein kleines Kind andere beißt, wenn es ihnen ihr Spielzeug wegnimmt, oder Sand ins Gesicht wirft? Sollten wir dann einfach zusehen und abwarten, daß die sich und ihr Hab und Gut selbst verteidigen, indem sie nun ihrerseits mit Sand werfen oder beißen oder schlagen?
Man kann Kinder auch regelrecht zur Aggressivität erziehen, indem man auf ihr aggressives Verhalten zu heftig reagiert! Da stecken wir nun in einer blöden Zwickmühle!
- Auf der einen Seite dürfen wir Kindern ihre Aggressivität nicht einfach durchgehen lassen, müssen also eingreifen, müssen ihnen zu verstehen geben, daß wir nicht bereit sind, ihre Attacken zu tolerieren.
- Auf der anderen Seite sollen wir diesen Attacken nicht zuviel Aufmerksamkeit schenken, weil wir die Kinder sonst zur Wiederholung reizen.
Ist dieser Widerspruch überhaupt zu lösen? Sehen wir uns den ganzen Mechanismus doch etwas genauer an: Ein Kind entdeckt im Sandkasten ein unbekanntes Spielzeug und möchte es haben. Daß dieses Spielzeug einem anderen Kind gehört, ist ihm schnurz. Eigentum? Ein fernes spanisches Dorf. Es geht also auf das andere Kind zu und versucht, ihm das Spielzeug wegzunehmen. Das klappt nicht auf Anhieb. Nach einer Weile schlägt es eher reflexartig als bewußt auf das andere Kind ein. Einfach so: mal schauen, was dann passiert...
Und siehe da, das andere Kind läßt das Spielzeug los, es heult, und im Nu stehen die beiden im Mittelpunkt des allgemeinen Spielplatzinteresses. Die Mutter des Geschlagenen kommt angerannt. Die eigene Mutter droht und schimpft. Die anderen Kinder schauen neugierig, was da los ist. Das Angreiferkind findet das hochinteressant und spannend, steckt die Rügen seiner Mutter weg. Und probiert ein paar Minuten später, ob die Sache auch bei Wiederholung klappt. Sie klappt - jedesmal immer besser!
So wird aus den anfänglichen, eher zufälligen Experimenten des Kindes bald aggressives Verhalten, das nach und nach immer bewußter eingesetzt wird. Etwa, wenn das Kind fremdes Spielzeug erobern will. Oder einfach, wenn es sich langweilt.
Was tun in dieser verzwickten Lage...? Die Lösung sieht so aus: Wenn es nun mal unumgänglich ist einzugreifen, dann müssen wir uns Sanktionen ausdenken, die für das bestrafte Kind möglichst langweilig sind und sein Verhalten nicht verstärken. Der Katalog der üblichen Strafen enthält wenig Vernünftiges und erfahrungsgemäß kaum etwas, das hilft:
- Schlagen (also ein paar auf die Finger oder auch auf den Po) ist die logikärmste aller möglichen Reaktionen. So nach dem Motto "Ich schlage dich, damit du mich nicht mehr schlägst!" Nicht überzeugend. Außerdem bringt man das Kind damit zum Heulen. Heulende Kinder werden von den anderen fast immer interessiert angegafft. Das Kind "ist also wer"! Wenn es lange genug heult, hat die Mama Mitleid und nimmt es auf ihren Schoß. Da kann es seine nasse Nase an ihren weichen Busen drücken und das sanfte Ausklingen seines Kummers genießen - und dabei Kraft für neue Taten schöpfen. Würde die Mutter aber ihr heulendes Kind nicht trösten, dann käme es sich von ihr und aller Welt verlassen vor und würde seinem Frust ebenfalls in neuen Attacken Luft machen.
- Schimpfen empfinden die meisten Kinder als eine Form von Zuwendung, die zwar nicht besonders schön ist, aber immer noch reizvoller, als überhaupt nicht beachtet zu werden. Ähnlich ist es mit Vorträgen, besonders, wenn keine Konsequenzen folgen.
- Beißen oder Zwicken? Doch - das gibt´s durchaus: In ihrer Verzweiflung kommen immer wieder Eltern auf die Idee, ein Kind, das etwa beißt, ebenfalls zu beißen. "Damit es lernt, wie weh das tut." Klappt aber nicht, denn erstens sind wir gar nicht in der Lage, unser Kind so fest zu beißen, daß das ernsthaft weh tut. Und wenn es uns denn wirklich gelingen sollte, bringen wir unseren Kindern auf diese Weise - via Vorbild - etwas völlig Unerwünschtes bei. Nämlich, daß es unter Menschen üblich ist, zu beißen oder sich an den Haaren zu ziehen. Aber gerade das wollen wir schließlich verhindern.
Was also hilft in solchen Situationen? Nur die Auszeit!!! Ein Kind, das andere angegriffen hat, wird sofort, aber ohne große Aufgeregtheit, zur Seite genommen. Man erklärt ihm so knapp wie möglich, daß sein Verhalten nicht tolerabel ist. Dann muß es sich für kurze Zeit (Faustregel: so viele Minuten, wie es Jahre alt ist) neben seine Mama (oder wen auch immer) setzen. Notfalls, wenn es nicht freiwillig sitzen bleibt, muß man es auf den Schoß nehmen. Dann darf es zu den anderen zurück. Wiederholt es seine Angriffe, wird die Auszeit verlängert. Wird es auch danach wieder aggressiv, muß man mit dem Kind die Gruppe verlassen. Wiederum nur mit kurzen Erklärungen.
Diese Auszeiten, das zeigt die Erfahrung, sind das einzig wirksame Mittel bei aggressiven Kindern. Aber man braucht Geduld. Es wirkt nicht von heute auf morgen. Wenn das Kind schon lange aggressiv ist, kann es durchaus ein paar Wochen dauern.
Diese Regeln gelten jedoch vornehmlich für kleine Kinder. Bei Kindern über drei oder vier ist es immer weniger nötig, jedesmal einzugreifen, wenn sie auf harmlose Art miteinander rangeln. Gerade Jungen messen gern ihre Körperkräfte, und man sollte ihnen durchaus Gelegenheit dazu lassen. Wer anderen dabei jedoch weh tut oder sie gar verletzt, muß ausgebremst werden. Nur so können Kinder nämlich lernen, was Fairneß ist.
Und was wäre den Müttern friedlicher Kinder zuraten?- Es macht keinen Sinn, die Kids zur Gegenwehr aufzufordern, wenn sie immer wie der angegriffen werden.Damit frustriert man sie bloß. Man sollte ihnen aber sagen, daß sie sich getrost wehren dürfen, wenn ihnen danach zumute ist.
- Man sollte das malträtierte Kind zwar trösten, wenn es heulend Schutz sucht. Aber bitte nicht allzu dramatisch. Am besten ist es wohl, ganz ruhig zu sagen: Ich habe es gesehen, daß das andere Kind dich gehauen / geschubst / gebissen hat. Das darf es nicht, das ist nicht in Ordnung.
- Soll man eingreifen, wenn das eigene Kind attackiert wird und die Mutter des Angreifers ungerührt zusieht? Zunächst sollte man die andere Mutter bitten einzugreifen. Wenn sie es nicht tut, muß man selbst dazwischengehen.